Predigt: Markus 12, 28-34

10. Sonntag nach Trinitatis in der Deutschsprachigen Ev.-Lutherischen Kirch in Kenia

Liebe Gemeinde,

Was ist das Wichtigste im Leben ? Liebe, sagt Jesus. So einfach kann glauben sein, so einfach macht es uns Jesus zu glauben: Eine Frage, eine Antwort und jeder weiß, was gemeint ist. Vielleicht machen wir den Glauben manchmal so schwierig und kompliziert, um uns den Ansprüchen des Glaubens besser entziehen zu können.

Denn wenn Jesus davon redet, dass es nur Einen und somit nur einen Herrn gibt, fragt er zugleich: Zu welchem Herrn will ich gehören ? Da gibt es kein sowohl, als auch, kein einerseits – andrerseits, sondern nur ein entweder – oder „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“, sagt Martin Luther. In der Bergpredigt stellt Jesus fest: „Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Geld.“ Das ist Glaube.
Aber der Reihe nach: Jesus betrat den Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um. Die wechselten das Geld von außen in die Tempelwährung um. Denn Geld von außen war unrein. Aber auf Geld wollte man im Spendensystem Allerheiligstes nicht verzichten. Jesus macht dieses Geschäftsmodell für eine Zeit lang wenigstens unbrauchbar. Dann wollen verschiedene Gruppen mit Streitgesprächen ihn hereinlegen, am besten als Gotteslästerer überführen. Alle scheitern. Jetzt kommt der Schriftgelehrte mit seiner Frage, was das Wichtigste ist. Zwei jüdische Männer treffen sich im Tempel.

Der Gesprächspartner Jesu ist ein Schriftgelehrter, „grammateis“, wie es im Ursprungstext der Bibel heißt. „Die Grammatiker“, könnte man boshaft übersetzen. Die, die die Bibel wie eine Grammatik des Glaubens, ein Regelwerk, ein Gesetzesblock, lesen. 613 Gebote hatten sie herausgefunden, die es galt, in die richtige Reihenfolge zu bringen.

Sie kannten sich aus in der Bibel, diese Grammatiker, diese Schriftgelehrten. Als Herodes wissen wollte, wo der Messias, der Retter der Welt, geboren werden würde, gaben sie die richtige Antwort: In Bethlehem. Aber man kann die Bibel lesen und nicht verstehen, was sie will. Man kann ein oben und unten festsetzen, ein wichtig und nicht wichtig, Kategorien einführen und auf 613 Gebote kommen.

Die Antwort Jesu nach der Nummer eins war schlicht und einfach: Liebe. Und diese Antwort umschließt auch das Kerngeschäft der Schriftgelehrten: Lies die Bibel mit Liebe, als Liebesbrief Gottes. Aber dabei bleibt Jesus nicht stehen: Lies nicht nur die Bibel mit den Augen der Liebe, sieh Gott, sieh deinen Mitmenschen, sieh dich selbst mit den Augen der Liebe. Geh mit allen barmherzig um. Vor allem mit dir selbst und deiner Lebensgeschichte. Im neuen Album von Superstar Taylor Swift mit dem Titel „Lover“ erklärt sie: „Liebe dich selbst, sonst liebt dich keiner.“

Und Jesus dekliniert die Quellen unserer Liebe durch:
Aus vollem Herzen – das ist der Sitz unsrer Gefühle, unsres Willens, das ist das Zentrum unsrer Person, so die Bibel.
Aus voller Seele – das ist der Sitz meiner Verbindung zu Gott, die macht mich zum lebendigen Wesen, gibt mir Vitalität und Leiblichkeit.
Mit ganzem Verstand – das ist der Sitz meines Überlegens, meiner Logik, meines Intellekts.
Mit ganzer Kraft – das ist der Sitz meiner Muskeln, meines Körpers, meiner Geisteskraft, meines Zupackens, Vehemenz, Elan und die Intensität meiner Liebe.
Mit allen Fasern meiner Existenz Gott lieben, ganzheitlich. Die Liebe knackt alles. Was ist uns Gott wert?

Was ist die verlässlichste Wahrheit, die mich trägt, wofür lohnt es sich zu leben, was ist der Kern meiner Erfahrung? Jesus sagt: Der eine und einzige Herr und der will die Liebe. Wer so antwortet, legt sich fest, er bekennt sich, so wie wir das getan haben, als wir nach dem Evangelium das Glaubensbekenntnis gesprochen haben.

Die ersten, die so fragen, sind die Liebenden, die sich überlegen, wie sie sich festlegen wollen in und mit ihrem Leben.

Die verstehen die Antwort Jesu nach der Nummer eins: die Liebe.

Jesus antwortet dem Gelehrten der Schrift mit etwas, das jeder Jude kennt, dem Glaubensbekenntnis Israels: „Höre Israel, der Herr ist unser Gott. Es ist ein Herr oder: Es gibt nur einen Herrn.“ Jeden Morgen und Abend wird dieses Bekenntnis gesprochen. Eltern und Großeltern beten es mit den Kindern und besonders Fromme tragen es in ledernen Kapseln, die sie sich auf Stirn und Hände – Denken und Tun – binden.

Jesus sagt: Inhalt dieses Gebotes ist die Liebe. Der Kirchenvater Augustin schreibt: „Liebe deinen Nächsten – und dann tu, was du willst. Ob du schweigst – schweige in Liebe. Ob du rufst – rufe in Liebe. Ob du schimpfst- schimpfe in Liebe. Ob du schonst – schone in Liebe. In dir sei die Wurzel der Liebe und aus dieser Wurzel kann nur Gutes entstehen.“

Luther erklärt das siebte Gebot so: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unseres Nächsten Gut oder Geld nicht nehmen noch mit falscher Ware oder Handel – heute würden wir das fake nennen – an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen lassen und behüten.“ Auf Deutsch: Ich bin für den Besitz und das Essen meines Mitmenschen mitverantwortlich.

Liebe bedeutet Verzicht auf alle Sicherungsklauseln. An deren Stelle treten Hingabe und Sich – Ausliefern.

Die Jesus People sangen in den Achtzigern: Liebe deinen Feind – es macht ihn verrückt.

Ich bin kein Pilzesammler oder „Schwammerlsucher“, wie man in Bayern sagt. Aber über die Pilze las ich einen schönen Vergleich zu unserem Text:

Im Wald finden wir verschiedene Pilze: Alte und junge, der eine ist verdorrt, der andere frisch, der eine ist krumm gewachsen, der andere gerade, der eine ist angefressen, der andere zeigt sich mit einem makellos runden Hut. Unterschiedlichste Pilze mit eigener Biografie. Aber der eigentliche Pilz, der Pilzgrund, liegt unter der Erde. Die Pilze über der Oberfläche, die wir also sehen, sind Fruchtkörper ein und desselben Pilzes –ein großer Zusammenhang: Jeder Pilz ist mit dem anderen verbunden. Jeder Pilz ist besonders. Und es gibt unendlich viele einzelne. Wenn man den einen Pilz wirklich beschreiben will, dann gehört die Verbindung mit allen anderen dazu.
Wenn wir uns mit den Pilzen vergleichen und unseren Text lesen, könnte die Schlussfolgerung so lauten: Wenn ich meinen Nächsten liebe, liebe ich den gleichen Grund, von dem wir beide leben. Sich selbst lieben, heißt den Grund lieben, von dem ich und mein Nächster leben. Liebe ich mich selbst, liebe ich den andere, denn wir leben vom gleichen. Und dieser gemeinsame Grund, von dem wir leben, ist Gott. Liebe ich Gott, liebe ich den Grund, von dem ich und mein Mitmensch leben. Liebe deinen Nächsten – er ist wie du.

Was ist das Wichtigste im Leben ? Die Liebe.

Amen.

Pfarrer Johannes Löffler – KELC – P.O.B. 54128 Nairobi – Kenya