Wie funktioniert Kirche ? – Predigt über Apg 15

Was ist wichtig in einer Kirchengemeinde? 
Was braucht es damit Kirche als Kirche funktioniert? 
Was ist das Wichtige, ja das Notwendige was braucht es auf jeden Fall? 
Diese Fragen haben Menschen schon immer gestellt seitdem es so etwas wie Kirche und Gemeinden gibt 
Was ist in unserer Kirchengemeinde das Wichtige, das Notwendige das Unverzichtbare ?
Ein Experiment: tauschen sie sich aus. Für drei Minuten. Einfach so … 
was ist das Wichtige ja das Wichtigste  an einer Kirchengemeinde
ja an dieser Kirchengemeinde …..

Gemeinde im Gespräch über die Kirche. 
Das hat Tradition – im Jahr 48 oder 49 nach Christi Geburt 
haben Führungspersönlichkeiten der damaligen christlichen Bewegung 
in Jerusalem auf dem später sogenannten Apostelkonzil 
genau das getan: sie haben miteinander über die Kirche debattiert. 
Auf der einen Seite Paulus und Barnabas und auf der anderen Seite Petrus und 
die anderen Gründungsfiguren der Urgemeinde. 
Der Anlass für dieses Gespräch war kein angenehmer Da nun Zwietracht entstand und Paulus und Barnabas einen nicht geringen Streit mit ihnen hatten ordnete man an, dass Paulus und Barnabas und einige andre von ihnen nach Jerusalem hinaufziehen sollten zu den Aposteln und Ältesten um dieser Frage willen.
Am Anfang stehen Zwietracht und ein nicht geringer Streit. 
Es gibt Spannungen, Differenzen, Konfliktlinien 
Da flogen die Fetzen. Da beharrten die Menschen auf ihrer Position 
waren nicht bereit zu Kompromiss oder Ausgleich 
Worum ging es in dem Streit? Es ging um die Frage, was es außer dem Evangelium eigentlich noch braucht 
damit Kirche funktioniert. 
Einige Judenchristen waren der Meinung, dass es noch etwas braucht, 
Es braucht außer dem Vertrauen in die freie Gnade Gottes 
noch die Beschneidung, erst dann gehört Mann 
wirklich dazu erst dann wird man gerettet. Glaube und…. 
Paulus und Barnabas waren anderer Meinung 
für sie war der Glaube an das Evangelium alles was es braucht 
Nicht Glaube und sondern der Glaube allein Aus Gnade seit ihr gerettet worden aus dem Glauben …. Gottes Gabe ist es und die reicht. Darum ging es in diesem nicht geringen Streit 

Eigentlich erstaunlich, dass dies für die Nachwelt so klar und nüchtern erzählt wird.
Keine diplomatische Glättung, keine nette Umschreibung, sondern Klartext: vergesst nicht,
es gab schon damals Zwietracht und nicht zu geringen Streit 
Zur Kirche gehörte von Anfang an dieser Streit dazu der Streit um das Wesentliche, 
um das Entscheidende um die Wahrheit von Kirche. 
Man war sich von Anfang an nicht einfach einig,
über das, was die Kirche ausmacht, sondern darum musste man erst streiten. 
Der Streit war am Anfang der Motor für Klärung, für Begegnung und für Kommunikation 
Braucht es dass? Nicht nur in der Kirche, sondern vielleicht immer wieder, wenn es um die Grundlagen, um so etwas wie Wahrheit geht? Braucht es die Reibung und den Konflikt, damit Menschen sich zusammensetzen um grundsätzliche Dinge anzusprechen? 
Möglicherweise braucht es das, denn wenn alles irgendwie läuft – 
fragt keiner danach, was wirklich wichtig ist und worauf es eigentlich ankommt. 

Der Streit war der Anlass für gemeinsame Beratungen. 
Und die begannen so: Paulus und Barnabas verkündeten, wie viel Gott mit ihnen getan hatte. 
Da traten einige von der Gruppe der Pharisäer auf, die gläubig geworden waren, und sprachen: Man muss die Heiden beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz des Mose zu halten.

In aller Schärfe und Klarheit kommt alles noch einmal auf den Tisch . 
Beide Seiten bringen ohne Abstriche ihre Position ins Spiel. 
Und was geschieht dann, wie geht es da weiter in dieser verfahrenen Situation? 
Erst einmal geht es mit Streit weiter.  Als man sich aber lange gestritten hatte, 
stand Petrus auf und sprach zu ihnen: Ihr Männer, liebe Brüder, ihr wisst… 

Was für eine merkwürdige Beratung. 
Da sitzen die führenden Köpfe der christlichen Glaubensbewegung 
zusammen, Fachleute und Machtleute und sie streiten 
und das tun sie lange …stundenlang.
Stundenlang Argumente und Gegenargumente, Kopfschütteln und Empörung. 
Männer, die laut werden und mit der Faust auf den Tisch schlagen. 
Männer, die es nicht fassen können: soviel Dummheit und religiöse Blindheit
soviel Unverständnis und sowenig gesunder Menschenverstand.
Es wird lange gestritten. Wenn so etwas in der offiziellen Geschichtsschreibung nicht unter den literarischen Teppich gekehrt wird, scheint es wohl nicht untypisch für die Leser damals gewesen zu sein. Sie wussten es und erlebten es wohl auch selber: Kirche sein heißt miteinander streiten, manchmal heftig und manchmal lange ….  Das war auch am Anfang nicht anders. 
Und dann, nachdem lange gestritten wurde, fällt dem Petrus etwas ein 
und er steht auf und sagt: Ihr Männer, liebe Brüder, ihr wisst doch 
Petrus erinnert sich und die anderen an etwas, das sie offensichtlich 
mal wussten, aber jetzt vergessen wieder hatten. 
Er erinnert sie an ein Erlebnis, seine Vision, durch die Gott ihm zeigte, 
dass es im Blick auf den Zugang zum Heil keinen wirklichen Unterschied gibt 
zwischen Heiden und Juden und dass das Heil in Jesus Christus 
bedingungslos für alle gilt. 

Zwei Dinge sind hierbei erstaunlich. Die Vergesslichkeit 
und dass der lange Streit die Vergesslichkeit aufhebt. 
Vergesslichkeit scheint zur Kirche dazu zu gehören. Menschen aus denen Kirche besteht, 
vergessen wichtige Dinge. Entscheidendes, wirklich Zentrales gerät aus dem Blickfeld,
ist nicht immer abrufbar und bewusst verfügbar
Und das ist nicht nur hier so, sondern zieht sich durch, taucht immer wieder auf
im Neuen Testament und in der Geschichte danach. 
Menschen im Raum der Kirche vergessen das eigentlich Wesentliche 
Und deshalb braucht es eine Kultur der Erinnerung.
Wir in der Kirche brauchen die Erinnerung an das Wesentliche, an den Kern, die Wahrheit 
Wir brauchen die Rhythmen aus Wiederholungen, weil es uns sonst abhanden kommt oder vielleicht überhaupt nur so in Erscheinung treten kann.
Die Wahrheit muss erinnert werden, weil sie in der Dynamik unserer Beziehungen und Antriebe verloren geht. Die Wahrheit rutscht ins Vergessen, weil Anderes wichtiger wird. 
Als man sich lange gestritten hatte, da stand Petrus auf …
Ich wage den Sprung in die Gegenwart. Auch das könnte eine Struktur sein, die immer noch in Takt ist. Der Streit, gerade der Streit der an Grenzen führt, bewirkt etwas. 
Er bewirkt etwas in den Bereichen, die wir nicht bewusst kontrollieren können und dazu zählt eben auch unser Vergessen und Erinnern. 
An den Grenzen tauchen manchmal Dinge wieder auf, die vergessen waren und mit einem Mal entscheidend wichtig werden 

Also ruhig damit rechnen, dass Menschen, die sich um die Kirche kümmern,
das eigentlich Wichtige vergessen – auch heute noch.
Die Wahrheit gerät aus dem Blick, aus dem Bewusstsein. 
Das ist kein Phänomen der Postmoderne und kein moralischer Makel 
sondern eben Alltag der Wahrheitssuche und daher auch Alltag des Kirche-Seins
Und damit rechnen das manchmal die grenzwertigen Auseinandersetzungen
zum Weg werden, auf dem das Notwendige wieder auftaucht und erinnert wird 
ihr wisst doch … wir wissen doch eigentlich …

Was ist wichtig in einer Kirchengemeinde? 
Was braucht es damit Kirche als Kirche funktioniert? 
Es war und ist eigentlich ganz einfach: Wir glauben, durch die Gnade des Herrn Jesus 
selig zu werden, und auf gleiche Weise auch sie. 

Das ist in einfacher frommer Sprache der Grundsatz von Kirche und Gemeinde: 
In Jesus Christus ist das Heil. 
Klingt ganz einfach … und ist doch erst der Anfang. 
Denn immer wieder gilt es neu herauszufinden, 
was das jeweils jetzt und hier bedeutet: für mich und für den Menschen neben mir . 
Was heißt das jetzt und hier 
Jesus Christus – das Heil in ihm, für mich und für dich 
Das ist Aufgabe und Existenzgrund von Kirche und von Gemeinde 
Die einfache Wahrheit des Evangeliums ins vielfältige Leben der Menschen zu übersetzen 
Das ist Aufgabe von Kirche, einer jeden Kirche, wo auch immer sie ist
und in welcher Sprache auch immer sie spricht. 
Das werden wir immer vergessen. 
Daran müssen wir einander immer wieder erinnern. 

Pfarrer Hartmut Hawerkamp