Predigt über Jeremia 31: 31-34

Predigt über Jeremia 31: 31-34 am Sonntag Exaudi, 13-5-18 in der deutschsprachigen Gemeinde Nairobi

Liebe Gemeinde,

vom Herzschrittmacher Gottes ist die Rede. Er will unser Herz Schritte machen lassen. Das ist mehr als die Maschine, die immer dann anspringt, wenn unser Herz einen Schub braucht, um weiter zu schlagen. Das ist mehr als ein Notfallprogramm. Es ist der Normalfall: Gott kümmert sich um unser Herz und bringt unsere Schritte in die richtige Richtung.
Im Herzen wohnt alles: Der Wille des Menschen, manchmal wankend, manchmal unbeirrbar, die Möglichkeiten zum Guten und zum Bösen, die Sehnsucht und die Liebe, nicht selten schön und schrecklich zugleich, die Weisheit, sein Leben klug zu führen, zu bedenken, dass ein Mensch sterben muss und jeder flüchtige Moment daher seinen Wert hat. Verstand und Gefühl, Kopf und Bauch, alles an einem Ort. Nicht nur Friede, Freude und Herzlichkeit, sondern auch Wunden und Risse und Brüche und lebenslange Narben.
Jeremia, der unseren heutigen Predigttext geschrieben hat, nennt das menschliche Herz „ein trotzig und verzagt Ding“, er erkannte das Feuer, das dort brennen kann und er wusste zu berichten, wie ein Herz bricht. Ort der Begegnung zwischen Himmel und Erde, Ort der Tat und der Ohnmacht zugleich.

Und genau hierauf zielt Gott mit seinem neuen Bund: auf unser Herz, dem er seinen Herzschrittmacher einsetzen möchte.
Ich will einen neuen Bund schließen, sagt Gott. Gott entscheidet Neues zu schaffen. Nicht der Mensch, sondern Gott bringt Neues und Veränderung. Keine Renovierung, keine Reformation, keine Verbesserung des Bestehenden, sondern Neues.
Neues, das nicht im Willen oder Wollen des Menschen seinen Ausgangspunkt hat. Manche sagen: „Ich gehe in die Kirche, wenn mir danach ist.“ Und meinen damit nicht nur den Gottesdienst, sondern auch ihr Gebet oder das Lesen in der Bibel. Als ob sich die Beziehung mit Gott ein- und ausschalten ließe wie das elektrische Licht. Als ob man Gott rufen und wieder überhören könnte, wie es einem passt. Manche gehen mit Gott so um, wie sie es nie mit ihrem Hund machen würden, denn den müssen sie regelmäßig füttern, waschen, Gassi gehen, sprich: Sich ihm verlässlich zuwenden. Nun ist Gott kein Hund und er braucht uns nicht zur Pflege und sei es zur Gottespflege. Wir brauchen seine Pflege und merken es nicht einmal, wenn er sich um uns kümmert. „Ich will einen neuen Bund schließen“ – nicht ihr. Wir meinen oft, unser Gottesverhältnis allein und selbstständig zu gestalten. Tatsächlich aber ist es Gott selbst.

Es brauchte einen neuen Bund, weil die Bündnispartner nicht zuverlässig waren. Der Mensch wurde zum Risikofaktor für sein Gottesverhältnis. Mit dem Willen Gottes ging es ihnen wie mit einer Fremdsprache: Wenn die Situation zu stressig wurde, fielen sie ganz schnell in ihre Muttersprache zurück.

Und mit dem Gesetz Gottes ging es wie mit allen Gesetzen: Sie sind dazu da, um umgangen zu werden. Angefangen bei den Straßenverkehrsgesetzen bis zu den Steuergesetzen. Gegenüber dem Willen Gottes verhalten sich die meisten nicht viel anders.
Und Gott ? Statt Abwendung – Zuwendung. Statt Untreue – größere Treue. Statt Unmenschlichkeit – Menschwerdung.
Gott schickt keinen Heimatminister, sondern schafft Heimat: „Und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.“
Das ist gut für diejenigen, die müde geworden sind. Denen Kraft und Zuversicht abhanden gekommen sind. Die nicht mehr an die große Veränderung glauben und für sie zu kämpfen vermögen.

Gott verspricht einen neuen Bund, ein neues Bündnis, das Menschen verändern wird bis ins tiefste Innere, bis in ihr Herz. Gott will seinen Herzschrittmacher einsetzen, damit die Menschen wieder gehen, wieder Schritte machen können.
Er und nur er kann die Hindernisse aus dem Weg räumen, die dieser neuen Heimat, die diesem neuen Bund, die diesen neuen Schritten im Weg stehen: „Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“

Vergebung ist mehr als ein irisches Segenswort oder eine fernöstliche Weisheit. Sie ist mehr als ein Lebensgrundsatz oder –motto: ‚Ich sage immer …‘. Sie ist mehr als ein frommes Wohlgefühl nach einem guten Konzert oder Gottesdienst.
Wenn es um Vergebung steht, stehe ich vor Gott. Allein. Ich bekenne. Ich sage alles, was mich belastet, wo ich schuldig geworden bin. Ich bitte um Vergebung. Ich schaue auf das Kreuz. Ich suche nach einem Bibelvers. Ich schaue ins Gesangbuch oder Internet unter „Beichte“. Und ich nehme die Vergebung Gottes an.

Und wenn ich sie nicht glauben kann oder es mir schwer fällt, sie zu glauben, gehe ich zu einem Christen. Bekenne in seiner Gegenwart und in der Gegenwart Gottes und lasse mir die Vergebung auf den Kopf in mein Herz zusagen und tausche einen schweren Sack in einen Luftballon um. Und das Herz wird leicht.

„Nimmermehr gedenken.“ Gott ist vergesslich. Aus den Augen, aus dem Sinn. Kein Nachtragen, keine belastende Datei oder Datensicherung – alles gelöscht. Der Prophet Micha schreibt: „Er wird … alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.“
Beim Abendmahl sprechen wir: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ Der neue Bund in, mit und unter Jesus Christus.

Herzschrittmacher Gottes: „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.“ Neue Schritte.
Ich möchte das abschließend mit einem Bild veranschaulichen. Der Wiener Künstler Gustav Klimt erhielt einmal von der Baronin Sonja von Knips den Auftrag, ein Portrait von ihr zu erstellen. Der Künstler stimmte zu, allerdings wollte er nicht nur eine Momentaufnahme von seiner Kundin zeichnen. Er wollte an ihrem Leben teilnehmen, sie besser kennen lernen, um die Baronin so zu malen, wie sie tief in ihrem Innern ist. Äußerlich gesehen war sie keine Schönheit. Sie war von einem harten Leben gezeichnet und litt unter Depressionen. Der Künstler malte nun nach einem langen Beobachtungszeitraum ein Portrait von ihr. Es sah ihr allerdings überhaupt nicht ähnlich. Auf dem Bild schien jemand anderes abgebildet zu sein. Auf dem Bild sah man eine wunderschöne Frau. Eine Frau mit einer kraftvollen Ausstrahlung. Die Baronin hängte sich das Portrait -wohl leicht geschmeichelt- trotzdem im Wohnzimmer an eine gut sichtbare Stelle.

Und nun geschieht das Unglaubliche. Als ein paar Jahre später der Künstler die Baronin besuchte, erschrak er. Die Baronin hatte sich in eine wunderschöne Frau verwandelt. Sie war der Frau, die er vor ein paar Jahren gemalt hatte, wie aus dem Gesicht geschnitten. Weg war ihre depressive Ausstrahlung. Sie hatte sich total verwandelt. Sie sah ganz aus wie die Frau auf dem Bild, das er vor Jahren gezeichnet hat. Die Baronin hat sich unbewusst durch das ständige Betrachten des Bildes immer mehr in diese schöne Frau verwandelt. Der Künstler malte einen Entwurf von ihr- und sie wurde diesem Entwurf immer ähnlicher. So ähnlich, dass ihre Verwandlung wie ein Wunder erschien.
Gott hat auch einen Entwurf von uns. Er schreibt uns diesen Entwurf in unser Herz. Gott spricht: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben. Oder in den Worten des Beispiels gesagt, er hängt ein Bild in unser Herz. Auf diesem Bild sind wir so, wie Gott uns sieht. So wie er uns gedacht hat.
Herzschrittmacher Gottes. Unser Leben darf andere Schritte machen, unsere Wege einen anderen Verlauf nehmen. Amen.

Pfarrer Johannes Löffler – KELC – P.O.B. 54128 – 00200 Nairobi – Kenya