Predigt: Jakobus 2, 14-26

Predigt am 17.Sonntag nach Trinitatis, 13-10-19 in der deutschsprachigen Gemeinde Nairobi

Was nutzt es aber, meine Brüder, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber zugleich hat er keine Werke ? Vermag der Glaube ihn zu retten ? Wenn der Bruder oder die Schwester nackt sind und nicht das tägliche Brot haben, dann aber einer von euch ihnen (auch noch) sagt: Zieht hin in Frieden, zieht euch warm an und schlagt euch die Bäuche voll – gebt ihnen aber nicht, was an sie für Leib und Leben brauchen – was nutzt das ?
So ist es auch mit dem Glauben: Wenn er keine Werke hervorbringt, ist er in sich tot. Wenn aber jemand sagt: Du hast den Glauben und ich habe die Werke, zeige mir deinen Glauben ohne die Werke und ich werde dir aus meinen Werken den Glauben zeigen.
Glaubst du, dass es einen Gott gibt ? Gut so ! Auch die Dämonen glauben und schaudern. Willst du zur Kenntnis nehmen, du hohler Mensch, dass der Glaube ohne die Werke nutzlos ist? Ist unser Vater Abraham nicht durch Werke als recht hingestellt worden, weil er seinen Sohn Isaak auf den Altar gelegt hat ?
Du siehst, dass der Glaube seinen Werken nur hilfreich zur Seite trat und dass durch die Werke der Glaube vollendet wurde. Erfüllt wurde die Schrift, die da sagt: Abraham glaubte an Gott und das rechnete er ihm zum recht sein an. So wurde er Freund Gottes genannt. Ihr seht also, dass der Mensch wegen der Werke recht gesprochen wird und nicht nur durch den Glauben.
Genauso wiederum: Ist nicht die Hure Rahab wegen der Werke recht gesprochen worden, als sie die Engel aufnahm und auf einem anderen Weg hinaus ließ ? Denn genauso wie der Leib ohne Geist eine Leiche ist, so ist auch der Glaube ohne Werke ein Leichenhaus.

Liebe Gemeinde,
gut ist nur, wer Gutes tut. So meine Kurzfassung dieses harschen Textes, der uns alle aufrütteln will. Nicht gut handelt der, der fromm klingt, aber nichts tut, der durch Erbaulichkeit seine Hände und vor allem seinen Geldbeutel schonen möchte und damit überhaupt nichts – und schon keinen Menschen – erbaut.
„Geht hin in Frieden“, so zitiert der Text Christen, die sich von anderen verabschieden. Ein Segensgruß zum Abschied. So sprechen die, die sich begegnet sind, miteinander im Reinen sind und sich nichts schulden.
Diesen Segensgruß sagen nun Satte und wohl Bekleidete ausgerechnet denen, denen der Magen knurrt und die frieren. „Der Bruder oder die Schwester sind nackt“, heißt es da.
Nackt sein: Nichts verbergen können, bloß und entblößt dastehen, keine Schamgrenze haben, wie ein Tier herumlaufen, gedemütigt und klein gemacht werden. Schlächter, die ihre Opfer besonders demütigen wollten, haben sie nackt an den Galgen geschickt. So Dietrich Bonhoeffer auf dem Weg zum Schafott in Flossenbürg.
„Der Bruder oder die Schwester haben nicht das tägliche Brot“. Für viele Afrikaner eine Alltagsgeschichte, besonders dort, wo der Regen ausbleibt.
Von Maasai hörte ich folgende Hungergeschichte: Es ist Abend. Die Kinder haben Hunger und möchten essen. Die Mutter hat nichts, was sie ihren Kindern geben könnte. Die Hütte ist nur durch das Feuer erhellt. Die Mutter sagt, die Kinder mögen warten, sie koche jetzt. In den Topf jedoch hat sie nur Steine legen können. Die rührt sie immer wieder um. Das beruhigt die Kinder, sie schlafen ein.
Das gehört auch zum Hunger, zum Mangel allgemein: Oft muss man sich verstellen, so tun, als ob, um die Situation zu überstehen. Not-lüge.
Die Menschen, von denen unser Schreiber Jakobus berichtet, sind Gemeindeglieder. Nackt und hungrig, während andere satt und bekleidet den Gottesdienst besuchen. Ausgerechnet die sind es, die denen, die beschämt und erniedrigt sich klein machen, jovial auf die Schultern klopfen mit einem flotten, hier mit einem frommen Spruch.
Das ist wie bei einem, dem gerade gekündigt wurde, eine Stunde zum Abräumen des Schreibtisches unter Beobachtung gelassen wird und dann, weil es sich um einen kirchlichen Arbeitgeber handelt, er sich den Spruch anhören muss: „Der Herr zeige dir neue Wege“ oder „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist.“
„Zieht hin in Frieden, zieht euch warm an und schlagt euch die Bäuche voll !“ Zynischer geht’s kaum noch. Dem nackten Mann soll auch noch das letzte Hemd, nämlich das seiner Würde, ausgezogen werden. Der Notleidende soll sich um seine Not selber kümmern, als ob er sie ganz automatisch selbst verschuldet hätte.
Immerhin hat der Sprücheklopfer die Not erkannt. Aber das hilft dem Notleidenden nichts, weil er keine Barmherzigkeit erfährt. Jesus sagt: „Denn, siehe, ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht bekleidet.“ Was ist mit dem Glauben des Gottesdienstbesuchers ?
Jakobus schreibt: „So ist es auch mit dem Glauben: „Wenn er keine Werke hervorbringt, ist er in sich tot.“
Was tot ist, tut nichts. Tot ist tot, der Tote bleibt liegen, die guten Werke auch. No action just death. Von einem toten Glauben kann nichts erwartet werden. Von einem toten Glauben kann man keine Rettung vor dem Hungertod erwarten. Der Tote bleibt reglos und zeigt keine Regung.
Die Frage lautet: Was hat der andere – mein Mann, meine Frau, meine Kinder, meine Angestellten, meine Nachbarn – davon, dass ich Christ bin ?
Und jetzt kommt ein Kuhhandel, der an einen Emissionshandel in Sachen Glauben denken lässt: „Du hast den Glauben und ich habe die Werke, zeige mir deinen Glauben ohne die Werke und ich werde dir aus meinen Werken den Glauben zeigen.“ Als ob man das eine gegen das andere ausspielen könnte. Das ist so, als ob man heiraten würde, aber nicht zusammen ziehen will. So etwas nennt man eine Scheinehe. So wie Jakobus das einen Scheinglauben nennen würde.
Jakobus geht weiter: ‚Glaubst du an Gott ? Super ! Allerdings tun das auch die Dämonen und schaudern dabei.‘
Der Glaube der Teufel bringt keine Hoffnung und Gewissheit, dass es ihnen einmal gut gehen wird und schon gar nicht irgendeinen Hauch von Barmherzigkeit für die Notleidenden. Sie glauben, dass es einen Gott gibt und wissen zugleich, dass sie verloren sind. Die armen Teufel!
Jakobus wird deutlich: „Willst du zur Kenntnis nehmen, du hohler Mensch, dass der Glaube ohne die Werke nutzlos ist ?“ Hohler Mensch, hohler Glaube. Ohne Füllung, leer, blutleer wie ein Toter.
Alternativ wird das Werk des Abraham erinnert: Er tat, was Gott ihm aufgetragen hat und damit wurde er zum Gerechten, zum Freund Gottes.
Jakobus spricht von seiner Gemeinde. Wie ist das bei uns ?
Obgleich es zwischen uns große Einkommensunterschiede gibt, muss kein Weißer den anderen um Essen oder Kleidung bitten. Was aber ist mit den anderen ?
Einen, der aufdringlich andere um Geld und Unterstützung anging, haben wir gebeten, nicht mehr zu kommen. Zuletzt ging er bei der Konfirmation einen Vater an, ich selber habe ihn gebeten, zu gehen. Wohl war mir nicht dabei.
Jeder von uns kennt die Geschichten, um Unterstützung gebeten zu werden. Mich bat vor kurzem einer, der seinen Job im ArtCaffe im Hub verloren habe, um Unterstützung für seine Vierzehnjährige. Er hätte mich als damaliger Kunde sofort erkannt. Ich war in diesem Cafe ein einziges Mal…
Solche Geschichten stoßen uns auf und lösen einen Automatismus aus: Wer braucht’s, wer nicht ? Wer lügt, wer nicht ? Allen kann man auch nicht helfen. Und der Geldbeutel bleibt erst mal zu.
Dann haben wir den Sozialkreis. Eine gute Einrichtung. Solange ich aber da nichts einzahle oder bei anderen Projekten, sollte ich mich auf diesen Kreis nicht berufen. Sonst wird er zum bequemen Ruhekissen.
Mitunter steckt in diesen ganzen Überlegungen auch ein gewisser Zorn oder zumindest Ärgerlichkeit. In Deutschland hätte ich ein mittleres Einkommen, wäre ziemlich unbehelligt. Aber hier, in Nairobi, in Kenya macht mich der Bettler, der Nackte, der Hungernde zum reichen Mann ! Aus das geruhsame Mittelfeld. Hier gehöre ich zu den sehr gut Verdienenden.
Und ich weiß: Ich könnte mehr tun. Almosen helfen nur kurz. Es geht um Strukturen und Regeln, die Armut zumindest begünstigen. Was kann ich ändern ? Jakobus spricht von totem Glauben. Gibt es eine Auferstehung des Glaubens von den Toten ? Jakobus scheint das zu hoffen, sonst hätte er sich nicht die Mühe gemacht, diesen Brief zu schreiben.
Glaube an Gott genügt nicht. Jesus rief seine Jünger nicht dazu auf, eine neue religiöse oder politische Weltanschauung zu übernehmen, sondern sich mit ihm auf den Weg zu machen: „Komm und folge mir nach !“ Er will keine Standpunkte, sondern Bewegung. Auf ! Hände und Füße in Bewegung der Barmherzigkeit sind ein Zeichen dafür, dass mein Glaube lebt. Darf Gott in meinen Geldbeutel hineingreifen ?
Der dänische Christ und Philosoph Sören Kierkegaard (1813– 1855) erzählt folgende Geschichte:
Auf einem Bauernhof haben es sich die Gänse zur Gewohnheit gemacht, sich alle sieben Tage einmal zu versammeln. Andächtig hören sie zu, heben und senken die Köpfe, während einer von ihnen mit wohlgesetzten und wohlklingenden Worten von der höheren Bestimmung der Gänse spricht: „Freunde, zur Sonne sind wir berufen! Und unsere Flügel, die sind zum Fliegen geschaffen! Hoch hinauf in die Lüfte sollen wir uns erheben…“
Die Gänse schnattern aufgeregt ob dieser wunderbaren Botschaft. Und als dann die Versammlung beendet ist, da watschelt jede Gans und jeder Gänserich ganz ergriffen auf Ihren Gänsefüßchen davon, bis sie sich nach sieben Tagen wieder zu ihrer feierlichen Stunde versammeln und von der Berufung zum Fliegen hören…
Wie watscheln wir heute nachhause ? Gut ist, wer Gutes tut. Amen.

Pfarrer Johannes Löffler – KELC – P.O.B. 54128 – 00200 Nairobi – Kenya