„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
Es gibt Probleme, die kann man lösen …
durch Nachdenken und Beraten, Entscheiden und Anpacken durch Verändern oder Aushalten –
gemeinsam oder alleine.
Es gibt Probleme, die kann man lösen, und es gibt andere Probleme.
Der österreische Psychoanalytiker Ernst Federn schreibt:
„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
Es gibt Probleme, die kann man nicht lösen, die kann man nicht wegzaubern oder wegreden, mit denen muss man lernen zu leben, die kann man nur tragen.
„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
Ein erlebter Satz, denn Paul Federn war fast sieben Jahre lang im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert.
Dort und danach ging es im Leben von Paul Federn um das Tragen von Dingen, die man nicht mehr lösen kann.
Paul Ferdern erinnert mich heute
in der durch Corona zusammengeschweißten Welt
an die unslöbaren Dinge
in unserem Leben
und er fragt uns
wie wir damit umgehen wollen
mit dem was nicht zu lösen ist
wie wir vielleicht sogar
gut und gerne
mit den Unlösbarkeiten
leben können
„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
Vielleicht stimmt das ja
für die nächste Zeit –
dass uns das Thema Corona
die Gefahr und die Folgen
erst einmal getragen werden müssen
weil es sich nicht löst
wenigstens jetzt und hier nicht
Ja es gibt wichtige Probleme
in der Welt und im Leben
die lassen sich nicht lösen
sondern bleiben da
als Aufgabe,
als Thema,
als Wiederholung
sie müssen getragen
und ertragen werden.
Josef und seine Brüder
stehen denke ich
nicht weit entfernt von dieser Frage
als sie sich nach so langer Zeit wieder begegnen
Was sich bei ihnen
nicht löst,
nicht lösen kann,
nicht lösen darf
ist diese komische Geschichte
die sie miteinander verbindet
Denn da wurde einer nämlich Josef
im wahrsten Sinne des Wortes
verraten und verkauft
sie erinnern sich ?
Josef ging mit seiner Überheblichkeit seinen Brüdern
auf die Nerven
und sie wollten es nicht mehr ertragen,
wie Jakob ihr Vater ihn bevorzugte.
Als Sklave kam er dann nach Ägypten
er arbeitete sich hoch,
landete aber zu Unrecht im Gefängnis
Jahrelang durchleidet er diese Hölle
dann sein kometenhafter Aufstieg –
vom gefangenen Sklaven zum zweiten Mann im Staat
aber er wird nie vergessen, was er durchlitten hat
und nun zwanzig Jahre später
bekommt er die Chance
das Problem seines Lebens zu lösen
Jetzt kann er den Knoten lösen
mit einem Streich –
er könnte sich rächen und Vergeltung üben –
wie ihr mir so ich euch –
dann sind wir quitt, oder?
er könnte sie vor Gericht bringen
und dort würden sie ihr gerechtes Urteil bekommen
ihre gerechte Strafe
und dann wäre es gut, oder?
er könnte ihnen auch ganz einfach vergeben
und alles vergessen,
schwamm drüber, das war einmal lang ist es her …
dann wäre alles so wie vorher, oder?
aber so geht es nicht
weder Rache,
noch Strafe,
noch Vergebung
können das Problem
aus der Welt schaffen
„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
wie geschieht das Tragen hier
und was kann man und frau
für das Tragen des Unlösbaren
heute mitnehmen
erstenses gibt kein Schuldbekenntnis
und keine Vergebung
und es kann doch getragen werden
das ist erstaunlich,
weder hier noch
an einer anderen Stelle in der Josephsgeschichte
gibt es ein ausdrückliches Geständnis
es bleibt ganz viel
im Unausgesprochenen
in der Schwebe im Unklaren
erstaunlich auch
das Josef den Brüdern nicht vergibt
hier nicht
und auch später nicht
Für Josef gehört die Erfahrung von Schuld
zu den Dingen
die Menschen
nicht selbst lösen können
diese Erfahrung des schuldig werdens
gehört in den Zuständigkeitsbereich
eines Anderen:
bin ich denn an Gottes statt…
nur in Bezug auf einen Punkt außerhalb
nur im Blick auf den unsichtbaren und lebendigen Gott
lässt sich das Problem des Schuldigwerdens
einer Lösung näher bringen
im Blick auf die Menschen
geht es ums Tragen von Schuld
Vielleicht auch ein Hinweis
in all der Dynamik…
die Frage nach der Schuld
nicht vergessen
aber sie an die richtige Adresse schicken
Die Frage der Schuld
können wir menschlich nicht lösen
sondern nur tragen
und sie vor Gott bringen
„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
schauen wir weiter
was die Brüder tun
und was Josef mit den Brüdern tut
Da kam es Josefs Brüdern zu Bewusstsein: Ihr Vater war tot.
Da sagten sie: »Wenn Josef uns nun anfeindet und all das Böse, das wir ihm angetan haben, voll auf uns zurückkommen lässt … ?!«
ein wichtiger Schritt für die Brüder
das sich bewusst werden
und dass sich erinnern
ohne dass man sich bewusst wird
was geschehen ist
ohne dass man sich erinnert
was man selbst getan hat
geht eshier nicht
ausblenden,
vergessen,
übermalen oder schönreden
sind hier keine Wege
die ins Leben und ins gemeinsame Tragen führen
Die Brüder lernen zu leben
mit dem was wieder auftaucht –
was wieder bewusst wird
mit der Erinnerung
da müssen sie hindurch
das müssen sie mitnehmen und tragen
um dann weitergehen zu können
Da gingen die Brüder selbst hin,
fielen vor ihm nieder und sagten:
»Da hast du uns zu deinen Knechten!«
Da sagte Josef zu ihnen:
»Habt keine Angst!
Ja, bin denn ich an Gottes Stelle?
Die Brüder ziehen eine Konsequenz
aus ihrer Erinnerung aus ihrer Geschichte
sie erniedrigen sich selbst wir sind jetzt deine Sklaven sagen sie
du kannst mit uns machen
was du willst
was tun sie da eigentlich
sie fliehen aus der Verantwortung
sie fliehen in die Unmündigkeit
sie machen sich klein
kleiner und ohnmächtiger als sie sind
und was macht Josef
er durchkreuzt ihre Flucht
Habt keine Angst –
bin ich denn an Gottes statt
also keine Knechte
keine Unmündigen stehen hier vor Josef
nein Menschen sind
auch im Schuldfall
nicht Knechte von Menschen oder des Schicksals
sie sind nicht in der Hand von Menschen
sondern mündige und daher verantwortliche Menschen
ihr Schicksal liegt letztlich
nicht in der Hand von Menschen
sondern in den Händen
eines unsichtbaren Gottes
der sein Werk nicht fallen lässt
als Diener Gottes
unter Menschen den aufrechten Gang
einüben –
das gilt es im Schuldfall zu lernen
das gilt es vielleicht auch
heute zu lernen
wir sind auch jetzt nicht Spielball des Schicksals
und Knechte einer globalisierten Welt
sondern wir sind immer auch jemand anderes:
Diener Gottes
die unter Menschen den aufrechten Gang einüben
das gilt es auch im Krisenfall zu lernen
„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
Was schließlich am Ende noch weiter hilft
beim Tragen das ist eine Zukunftsperspektive
Josef spricht:
Ihr nämlich habt euch Böses ausgerechnet gegen mich.
Gott hat es zum Guten summiert,
um das zu tun, was heute zutage liegt:
ein großes Volk zum Leben zu bringen.
es geht darum mit Schuld zu leben
es geht darum zu glauben,
dass es auch im Schuldfalle eine Zukunft gibt die trägt
Josef vertraut darauf,
dass die Bosheit seiner Brüder
nicht in der Lage ist,
das, was Gott will zu verhindern
keine Schuld
kann verhindern,
dass Gott Leben will,
Leben schafft und Leben ermöglicht
für das Leben
lohnt es sich all das zu tragen,
all das zu tragen, was einem
das Leben und die Menschen
das Schicksal und der Zufall aufbürden
Josef hilft den Brüdern auf diesem Weg
nicht in dem er Schuld vergibt oder vergisst
sondern in dem er Angst wegnimmt,
Nicht Schuld sondern Angst wegnehmen
dass tut er
Josef ermutigt
Josef sorgt für Zukunft
Vielleicht auch
etwas um das es geht
den Anschluss an die Zukunft nicht verlieren
keine Schuld, keine Krise,
kann verhindern
das Gott das Leben immer noch will
für das zukünftige Leben
von dem wir nicht wissen
wie es gehen und aussehen wird
für das Leben das Gott will
lohnt es sich
all das was jetzt da ist zu tragen
„Was sich nicht lösen darf, soll man tragen.“
Es gibt Probleme die kann man lösen …
und es gibt Probleme
die kann man nicht lösen
mit denen muss man leben
und die soll man tragen
was brauchen Menschen noch
damit sie gut tragen können
am Ende der Geschichte hören wir noch etwas
So brachte er sie zum Aufatmen
und redete ihnen zu Herzen.
Aufatmen können
darum geht es auch
etwas nicht weg machen
aber es ein wenig leichter machen
vielleicht ist es das
was wir als Kirche
und Christenmenschen
in der Krise tun können
nicht wegmachen
aber etwas dazu beitragen
das Menschen aufatmen können
und dass sie spüren dass
sie in ihrem Herzen angesprochen sind
das hilft beim Leben
und besonders beim Tragen
denn
„Was sich nicht lösen darf,
kann man tragen.“