Predigt: Jeremia 14: 1 – 9

(Am 2. Sonntag nach Epiphanias, 19 Jan 2020)

Liebe Gemeinde,

welcher Reisende bleibt nur eine Nacht ?

  • Einer der gleich weiter muss, ein Geschäftsreisender etwa oder ein Radler auf Tour.
  • Ein Tourist, der am nächsten Tag im nächsten Park sein will.
  • Ein Reisender, bei dem das Geld nur für eine Nacht reicht und für den diese eine Übernachtung ein echtes highlight ist.

Die Eine – Nacht – Gäste sind in der Hotelerie nicht so beliebt: Der Putzaufwand ist fast der gleiche wie bei einem, der länger bleibt und die Bettwäsche sowieso.

Was aber, wenn der Gast mit einer Übernachtung der eigene Familienvater ist ?

Ein Familienvater, der nur eine Nacht bleiben will, hat wohl ein anderes Bett, wo er sich wohler fühlt. Und das heißt: Mit der Beziehung, mit der Ehe, mit der Familie schaut es schlecht aus.

„Was stellst du dich, als wärst du ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt ?“, fragt der Prediger Jeremia Gott inmitten einer Klimakatastrophe.

Und die ist gewaltig: Die Gesetze der Natur sind durcheinander. Der Jahreslauf mit Trocken- und Regenzeiten findet nicht mehr statt. Nur noch Dürre. Wir kennen die Bilder von Kenia von vor einem Jahr mit den verendeten Tieren auf einem rissigen Boden. Die sprichwörtlich fürsorgliche Hirschkuh lässt ihr Neugeborenes einfach liegen. Dem sprichwörtlich zähen Wildesel geht die Luft aus. Das natürliche, instinktive Verhalten gerät außer Kontrolle. Es gibt kein verlässliches Verhalten mehr – weder beim Wetter noch bei den Lebenden. Man weiß nicht mehr, wen man vor sich hat. Die Berechenbarkeit ist verloren gegangen.

Wer kann Regen geben ? Wer kann den Klimawandel stoppen ?

In der Öffentlichkeit wird bei uns so getan, als habe dies alles mit Gott nichts zu tun. Unser heutiger Bibeltext sieht das ganz anders.

Jeremia war es nicht recht, dass Gott so tut, als wolle er nur eine Nacht bleiben. Einen Gott nur für eine Nacht ? Nicht für Jeremia. Es schmerzt ihn, Gott, den Familienvater, als Fremden in der eigenen Familie zu vermuten. Er ist aber nicht fremd, weil er mit uns nichts mehr zu tun haben wollte, sondern, weil wir uns von ihm entfremdet haben, so seine Analyse. Nicht Gott ist nicht von sich aus ein Fremder geworden, sondern er ist uns fremd geworden, weil wir ihm Fremde wurden.

Jeremia spricht von Sünde und Ungehorsam. Familie ohne Vater.

Das hat Folgen. Der Klimawandel wird anders dargestellt und erklärt, als wir es gewohnt sind. Er ist keine Laune oder Entwicklung der Natur, sondern Folge einer nicht mehr intakten Beziehung zwischen Mensch und Gott.

Wir sind es in der öffentlichen Diskussion gewohnt, von Korrekturen und Änderungen zu hören, einem Verhaltenswechsel, der sich auf das Klima auswirkt. Einer Ursachenforschung bei den Motiven des menschlichen Verhaltens geht man lieber aus dem Weg.

Was ist mit der Gier, immer mehr haben zu wollen, mit der Angst, zu kurz zu kommen und mit der Rücksichtslosigkeit, wo sich jeder nur der Nächste ist ?

Unser Bibeltext geht tiefer.

Einfluss auf das Klima hat letztlich nur der, der das Klima geschaffen hat. Wenn Schöpfer und Schöpfung miteinander harmonieren, wird auch das Klima wieder gesunden. Wenn der Familienvater wieder gewollt ist, wird auch die Menschheitsfamilie wieder im Einklang stehen.

„Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir gegen dich gesündigt haben.“

Der Mensch sucht die Schuld bei sich selbst.

Zu Zeiten Jeremias bestand diese darin, eigenen militärischen Strategien mehr zuzutrauen als Gott. Die Darstellung menschlicher Stärke war das Glaubensbekenntnis. Nicht nur: „Wir schaffen das“, sondern wir schaffen alles und zwar auf dem Weg und durch die Methode, die wir für richtig halten.

Die DDR Oberen propagierten: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein !“ Kirchenleute hielten dagegen: „Ohne Sonnenschein und Gott geht die Republik bankrott.“

„Wir schaffen alles“ – und zwar nur durch uns selbst, so, wie wir es für richtig halten. Kein Gebet, keine Orientierung an der Bibel, kein Austausch mit Christen.

„Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir gegen dich gesündigt haben.“ Das ist die Alternative, der andere Weg. Menschen klagen Gott ihr Leid, weil sie sich von ihm die Beseitigung der Ursache erhoffen. Und sind auch bereit, Bilanz zu ziehen.

Im ersten Timotheusbrief lesen wir: „Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet und sind vom Glauben abgeirrt und machen sich selbst viel Schmerzen.“ Der Satz hätte auch auf Zuhörer des Jeremia gepasst, die unter den Folgen eines Klimawandels stöhnen.

Es gehört zur Würde des Menschen, Schuld und Sünde bekennen zu dürfen und zu ihr zu stehen. Verantwortung zu übernehmen, Täterschaft zuzugeben und sie bei dem zur Sprache zu bringen, der die Maßstäbe festlegt. Ich bin Täter und stehe zu meinen Anteilen.

Bleib doch wieder länger als nur für eine Nacht ! Das sagt einer, der weiß, dass der Angesprochene souverän ist, über die Dauer seines Besuches selbst zu entscheiden.

„Wer kann dich halten, Gott ? Denn du bist dein,
von keines Eigentümers Hand gestört,
so wie der noch nicht ausgereifte Wein,
der immer süßer wird, sich selbst gehört.“

Rainer Maria Rilke im September 1901 in Westerwede bei Worpswede in Niedersachsen
Bleib doch ! Ohne dich verdursten wir. „Du bist ja doch unter uns, Herr und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht !“

Gleicher Name – gleiche Familie. Kinder Gottes. Töchter und Söhne des Lebendigen. Familie. „Blut ist dicker als Wasser“, sagt ein Swahili Sprichwort.

„Ach Herr, wenn unsere Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen !“ Auch wenn wir das alles verursacht haben – wir gehören doch zur gleichen Familie (um die wir uns einen Dreck geschert haben).

Was bedeutet es, zur Familie Gottes zu gehören ? Was macht den Unterschied aus ? Woher kommt die Differenz zwischen einer Nacht und einem ganzen Leben ?

Es geht um Beziehung.

„So hilf DU doch um DEINES Namens willen.
DU bist der Trost Israels und sein Nothelfer.
DU bist ja doch unter uns und wir heißen nach DEINEM Namen.“

Der jüdische Theologe Martin Buber schreibt:
„Wo ich gehe DU, wo ich stehe DU,
DU, DU, wieder DU, immer DU, DU, DU, DU !
Ergeht‘s mir gut, DU !
Wenn’s mir weh tut, DU !
Himmel DU, Erde DU, oben DU, unten DU !
Wohin ich mich wende, an jedem Ende:
DU, DU, wieder DU, immer DU, DU, DU, DU !“

Dein Name verbindet, langfristig, nachhaltig, länger als eine Nacht.

Inmitten der Katastrophe erinnert Jeremia Gott an seine Zusagen: „Du bist ja doch unter uns und wir heißen nach deinem Namen.“ Martin Luther schrieb einmal: Man soll Gott mit seinen Verheißungen die Ohren reiben.“

Liefern können wir schon lange nicht mehr.

Ich las zu diesem Text eine Predigt von Bischof Niemöller, die er am Abend vor der ersten Ratssitzung der Evangelischen Kirche in Deutschland in Stuttgart gehalten hat. Das war am 17.Oktober 1945, also fünf Monate nach der Katastrophe Deutschlands. Der gleiche Text. Heute warnen wir vor einer Klimakatastrophe. Er hatte die Katastrophe hinter sich und seine Worte lesen sich wie die eines Propheten:

„Und was ist mit unserer inneren Einstellung zu all diesen Dingen ? Haben wir aus diesen Zeiten als Volk und Kirche wirklich etwas gelernt ? Haben wir gemerkt, dass es Gott gewesen ist, der uns diesen ganzen Weg geführt hat ? Haben wir einen Eindruck davon und fühlen wir eine Verantwortung deswegen, dass und weil Gott uns in diesen zwölf Jahren in besonderer Weise heimgesucht hat wie der biblische Ausdruck lautet.“

Als Ursache hört er von „den bösen Nazis, die all dieses Elend über uns gebracht hätten… dann waren es je nachdem die Engländer, Franzosen, Amerikaner….wir fanden immer jemanden… den wir verantwortlich machen zu können glaubten und haben ja doch immer und immer dabei übersehen, dass Gott in dieser Zeit bei uns an die Tür geklopft hat und müssen doch nun endlich merken, dass Gott von uns heute etwas will, dass er uns zum Nachdenken bringen will, nämlich zum Nachdenken darüber, wie es mit unsrer Zufriedenheit und Stolz sei, dass er uns von ihm frei machen will…

Heute wartet die Welt darauf, ein Zeugnis zu empfangen, ob die Vergebung, die Gott uns Menschen in Christus gebracht hat, eine kleine ist, ob die Christenheit Vergebung leben kann. Die Welt wartet darauf, ob die Liebe, von der das Neue Testament redet… die Liebe“ ist, „die nicht fragt, wer derjenige ist, dem geholfen werden muss.“

Was macht den Unterschied, dass ich zur Familie Gottes gehöre ?

Wie kann ich anderen helfen, was das Klima angeht ?

Gott, der Vater, nur für eine Nacht im Haus ?

Pfarrer Johannes Löffler – KELC