Liebe Leserin, lieber Leser,
Ich stolpere über das „Jagen“. Das klingt nach Hetze: schneller sein als andere. Mit Jagd assoziiere ich Adrenalin, stark und schwach, schnell und langsam, über- und unterlegen. Wer ist schneller, besser, kräftiger, durchsetzungs-stärker? Es riecht nach Anstren-gung und Energieaufwand.
Im Alltag verwende ich dieses Wort fast nie. Die Ausnahme ist, wenn ich mit Jägern rede oder manche Filmtitel laut ausspreche.
Und nun? Ein ganzes Jahr lang auf der Jagd? Immer in Anspannung, fokussiert, konzentriert? Mag ich mit einer solchen Jahreslosung leben? Ich zögere, stolpere, bin irritiert. Irgendwas stimmt da doch nicht, wenn König David vor 3000 Jahren schreibt „jage ihm nach“. Ein Mann, der in seinen Gedichten und Liedern Worte mit viel Bedacht gewählt hat. Ein schwieriger Halbsatz, ein missverständlicher. Das Kino im Kopf läuft.
Bis ich genauer lese. Jage ihm nach, damit ist keine Person gemeint, sondern eine Sache. Kein Ding, kein Gegenstand, sondern ein Lebensstil, ein Gefühl, eine Wirklichkeit, nach der wir alle große Sehnsucht haben: „Frieden“.
Nun wird deutlich, was mit Jagen gemeint ist: Suche es leidenschaftlich, nachhaltig, ausdauernd, mit hohem Engagement. Es lohnt sich. „Suche Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34,15) – das ist mehr als ein Appell, das ist eine Haltung und eine Hoffnung und ein Auftrag. Mein Auftrag, deiner, unser.
Wer jetzt noch den Beginn von Psalm 34 und die dazugehörige Geschichte in 1. Samuel 21,1 ff. liest, der stellt erstaunt fest: David schreibt davon, dem Frieden nachzujagen unter größtmöglichem Druck. Er war der Gejagte, sein Leben stand auf dem Spiel und dann sagte er: Suche Frieden und jage ihm nach. Trotzdem.
Davon möchte ich lernen. Es ist die Ermutigung, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Es geht um das Miteinander von Menschen in einer friedlosen Welt. Einer Welt, in der die meisten ihrer Bewohner keine größere Sehnsucht haben nach Frieden, in der es so viele Kriege gibt, wie niemals zuvor.
Die richtige Leit-Perspektive bekommt die Jahreslosung für uns, wenn wir noch eine Dimension des Friedens mitdenken. „Der Friede Gottes, der größer ist als alle menschliche Vernunft“, schreibt Paulus. Dieser göttliche Frieden umrahmt alles. Also: lasst uns Frieden stiften, weil Gott uns seinen Frieden schon längst geschenkt hat.
Herzlich grüßt Herbert Falke (Pastor)